26. Juni 2018

Was an Fußballermuskeln foul ist

Wie lassen sich Muskelverletzungen von Fußballern optimal behandeln, wann dürfen die Sportler wieder zurück aufs Feld und was hilft präventiv? Denn nach Verletzungen können Beschwerdefreiheit und gute Leistungstests täuschen. (Medical Tribune 24/18)

Etwa ein Drittel aller Verletzungen im Fußball betreffen die Muskulatur.

Etwa ein Drittel aller Verletzungen im Fußball betreffen die Muskulatur. Pro Saison und Team ist mit 15 ernsteren Muskelverletzungen zu rechnen und 27 % der verletzungsbedingten Ausfalltage sind darauf zurückzuführen. Überwiegend ist die ischiocrurale Muskulatur (sogenannte Hamstring-Muskulatur) im Bereich des hinteren Oberschenkels betroffen, sagte Dr. Karen aus der Fünten vom Institut für Sport- und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes auf dem vergangenen Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie. Vor allem der M. biceps femoris mit seinem langen Verlauf über mehrere Gelenke ist hier gefährdet. Wunsch der Trainer wäre es, Parameter an der Hand zu haben, mit denen sich das Risiko für solche Muskelverletzungen beim einzelnen Spieler irgendwie voraussagen lässt. Dies ist aber bisher nicht möglich: Für alle infrage kommenden Kriterien wie Vorverletzungen, Alter der Sportler, Matchdichte, Knieflexionskraft, verminderte Flexibilität, Muskeldicke oder mangelnde Rumpfstabilität gibt es sowohl positive als auch negative Studien.

Präventionsübung bei Spielern unbeliebt

Auch gängige Leistungstests bringen hier nicht viel weiter – Muskelverletzungen bleiben letztendlich auch im Leistungssport ein unvorhersehbares Ereignis. Etwas eindeutiger ist die Studienlage dagegen bei der Prävention: So ist gut belegt, dass sich durch gezielte „Nordic-Hamstring-Übungen“ Verletzung dieser Muskelgruppe deutlich reduzieren lassen. Leider mangele es bei dieser unbeliebten Übung aber oft an der Compliance der Spieler, so die Sportmedizinerin.

In den meisten Fällen einfach abwarten

Im Prinzip könnte man bei den meisten Muskelverletzungen einfach abwarten, sagte Dr. Raymond Best von der Sportklinik Stuttgart. Die Muskulatur hat dank muskelständiger Stammzellen eine hohe Regenerationsfähigkeit. Nach drei bis vier Wochen sind die meisten Verletzungen verheilt – sind jedoch Sehnen beteiligt, dauert es deutlich länger. Im Profifußball will man diesen Vorgang aber beschleunigen, um Ausfallzeiten der teuer eingekauften Spieler so gering wie möglich zu halten. Für viele Maßnahmen, mit denen man den Schaden begrenzen und die Regeneration beschleunigen will, fehlt eigentlich die Evidenz, meinte der Sportmediziner. Dies gilt im Akutstadium für die Kompression zur Begrenzung des Hämatoms, für die Kryotherapie – von der man sich eine antientzündliche Wirkung erhofft – sowie für Ultraschall- und Elektrobehandlung. Trotz fehlender Evidenz besteht aber ein breiter Konsens, dass diese Maßnahmen hilfreich sind. Weit verbreitet ist in der Sportmedizin auch die Injektionstherapie, mit der die Regeneration angeregt werden soll. Als Beispiele nannte Best plättchenreiches Plasma (PRP). Für PRP gebe es zwar sehr interessante Daten aus der Grundlagenforschung – die Wirksamkeit bei Muskelverletzungen sei aber noch unklar. Beim jetzigen Wissensstand riet der Sportmediziner von der Injektionstherapie eher ab. Zumal auch viele Fragen zur praktischen Anwendung wie richtiger Zeitpunkt oder Applikationsfrequenz noch offen sind.

Nicht der Trainer entscheidet über den nächsten Einsatz

Eine gewisse Evidenz für eine Regenerationsförderung gebe es für exzentrisch zunehmende Belastung, Dehnungsübungen und eine Förderung der Rumpfstabilität. Eine operative Versorgung von Muskelverletzungen ist nur in 1–2 % der Fälle erforderlich. Wann kann der verletzte Spieler wieder aufs Feld geschickt werden? “Dies ist eine Entscheidung, die Arzt, Physiotherapeut, Patient und Trainer zusammen und in Absprache treffen sollten”, betonte Priv.-Doz. Dr. Werner Krutsch von der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Regensburg. Die Zeit bis zur Wiederaufnahme des Trainings hängt von zahlreichen Faktoren wie Typ der Verletzung, den betroffenen Muskeln und beteiligten Strukturen ab (s. Tabelle). Ist die Verletzung nicht richtig ausgeheilt, drohen Rezidive und damit noch wesentlich längere Ausfallzeiten. Selbst im Falle von völliger Beschwerdefreiheit und guter Performance bei Leistungstests lässt sich nicht immer genau feststellen, ob die Verletzung vollständig abgeheilt ist oder vom Sportler einfach nur gut kompensiert wird. Hier könnte in Zukunft möglicherweise das MRT weiterhelfen.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune